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Heiße Debatte um das Leistungsschutzrecht… Und wo bleiben die Bibliotheksverbände?

Ich fühle eine Art Déjà vu. Ich habe es schon mal (ok, mehrmals) gesagt.

Sascha Lobo hat schön aufgezählt, wer alles an der Diskussion um das neue Leistungsschutzrecht für Presseverleger teilnimmt, das LSR kommentiert und kritisiert:

Es lohnt sich, genauer hinzuschauen, wenn sich so völlig unterschiedliche Teile der Gesellschaft gegen ein Gesetz stellen. Vor allem, weil BDI und Linkspartei ja nicht die einzigen sind. Der Bitkom, die Grünen, die Junge Union, die SPD, ungefähr alle Internetverbände, die “Netzgemeinde” in Komplettbesetzung, Netzpolitiker in der CSU, der Verband der Automobilindustrie, der DJV Berlin-Brandenburg, die Freischreiber, noch zwei Dutzend andere Verbände sowie naheliegenderweise die in Deutschland tätige Internet-Wirtschaft in toto. Schon rein statistisch erhöht sich dann die Chance, dass das Gesetz falsch ist.

Fällt noch jemand außer mir was auf?

Wo sind die Bibliotheken und Bibliotheksverbände? Oder Verbände anderer Information Professionals (z.B. DGI und GfWM)?

Wie kommt das, dass sie (wir) nichts dazu zu sagen haben? Oder noch schlimmer, sind wir nicht in der Lage, unsere Stellungsnahme an die Öffentlichkeit zu bringen?

Also nochmals:
Die Praxis der Informationsberufe, von BibliothekarInnen bis zu WissensmanagerInnen, von Archivare bis zu Web Designer, alle sind vom Urheberrecht betroffen. Früher waren es die Grenzen der Technologie und Ressourcenknappheit, die die Informationspraxis eingeschränkt haben. Heute ist das das Urheberrecht, das die Grenzen des möglichen definiert.

Und das Leistungsschutzrecht?
Ein klares Produkt des Verlage-Lobby, völlig an der (Netz-)Realität vorbei konzipiert und eigentlich, ein Schuss ins eigene Bein für Verlage.
Ob Blogger und Twitterer davon betroffen sind ist eine Auslegungssache (und der Gesetzentwurf lässt viel Raum für unangenehme Auslegungen).

Werden Bibliotheken auch davon Betroffen sein, auf Grund eines tollen digitalen Angebots z.B.? Vielleicht, vielleicht auch nicht.
Es geht aber nicht um die eigene Betroffenheit. Es geht darum, dass DIE FACHLEUTE, die eigentlich Ahnung von den Sachen haben (sollten) und ihre Praxis vom Urheberrecht nicht trennen können – sie müssen eine Stellungnahme in jeder Entwicklung (wenn man das Leistungsschutzrecht für Presseverleger als Entwicklung überhaupt bezeichnen kann) dieses Gesetztes haben.

Weiterhin, wenn sie noch an irgendwelche ethische Grundsätze glauben und wirklich an der Gesellschaft denken, in der sie agieren, dann müssen sie eine Meinung haben. Eine fachliche Meinung, die alle diskutierten (und nicht diskutierten) Aspekte dieses LSRs umfasst, die Argumente abwägt und erklärt, wohin diese Entwicklung wirklich hinführt.

Und wenn BibliothekarInnen, InformationswissenschaftlerInnen, WissensmanagerInnen, Information Brokers etc. das wirklich nicht wissen und nicht können, dann müssen sie dringend und ernst über ihren Beruf nachdenken.

Nachtrag:
Ich will an dieser Stelle weiter betonen – Es ist völlig klar, dass solche Stellungnahmen und Teilnahme an öffentlichen Diskussionen Ressourcen (v.a. Personal-Ressourcen) verlangen, aber es geht um viel mehr.
Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger wird seit langer Zeit diskutiert und hat bereits drei Gesetzentwürfe. Es ist ein weiteres Beispiel dafür, wie informationsethischen und -politischen Themen von Informationsfachleuten in der Forschung, Lehre und Praxis undiskutiert und unkommentiert gelassen werden (ein paar weitere Beispiele: nur in den letzten Monaten hatten wir öffentliche Debatten um ACTA, Vorratsdatenspeicherung und den Staatstrojaner).

Das ist ein Alarmsignal für die Diskussionskultur und gesellschaftliches Bewusstsein unseres Berufsumfeldes.

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Original-Beitrag auch im Blog ‚Drawer 2.0‘ verfügbar:
https://drawer20.wordpress.com/2012/08/31/heisse-debatte-um-das-leistungsschutzrecht-wo-sind-die-bibliotheksverbande/