Das Buch von Manfred Spitzer „Digitale Demenz“ erregt derzeit, zu Recht wie ich finde, die öffentlichen Gemüter. Aussagen aus dem Spitzer-Buch tangieren dabei die Thematik Informationskompetenz, derjenigen der Laien sowie der (Informations-)Experten. Allerdings teile ich sein Lamento nicht und schon gar nicht die Verwendung von „Studienergebnissen“ aus der frühkindlichen Phase, die dann einfach mal auf die Verhältnisse bei Schulkindern und bei jungen Erwachsenen übertragen werden.
Schauen wir einmal in das Vorwort und die Einführung zu Spitzers Buch – Quelle:
http://www.droemer-knaur.de/livebook/LP_978-3-426-27603-7/downloads/livebook.pdf (Stand 06.09.2012).
Dort heißt es: „’Macht Google uns dumm?’., so lautet der Titel eines medienkritischen Essays des amerikanischen Publizisten und Internetexperten Nicholas Carr. Wenn man sich mit den digitalen Medien und den von ihnen ausgehenden möglichen Gefahren befasst, dann sollte sich die Aufmerksamkeit allerdings nicht nur auf Google richten – und es kann auch nicht allein um Dummheit gehen. Die moderne Gehirnforschung legt nämlich nahe, dass wir bei der Nutzung der digitalen Medien in einem größeren Rahmen allen Grund zur Sorge haben. Denn unser Gehirn befindet sich in einem fortwährenden Veränderungsprozess, und daraus folgt zwingend, dass der tägliche Umgang mit digitalen Medien eines nicht haben kann: keine Auswirkungen auf uns, die Nutzer.“
Während der erste Teil dieses Zitates eine Behauptung ist, finde ich den Rest banal. Hätte nicht gedacht, dass sich unser Gehirn fortwährend verändert durch äußere Eindrücke, offline, online, mit Rückkopplungen auf den „Nutzer“. So what?
Spitzer argumentiert für mich wie ein typischer Alarmist.
Zudem habe ich Zweifel, was seine „Gute Wissenschaftliche Praxis“ angeht.
Erfrischend deutlich, was Prof. Heinz Moser. Zürich, einer der Gurus der Medienpädagogik, dazu schreibt:
“ … Solche Thesen muten reichlich plump an. Doch Spitzer betont immer wieder, dass es ‚die Wissenschaft’ sei, die zu einem solchen Ergebnis komme: ‚Wenn schon der gesunde Menschenverstand heute überall und vor allem auch dort, wo man dies nicht vermutet, zu versagen scheint, sollte wenigstens die Wissenschaft im Hinblick auf die Gefahren von Medien eine klare Sprache sprechen’ (S. 290). Und mit ‚Wissenschaft’ ist natürlich die Hirnforschung gemeint, nämlich jene Disziplin, von der es in den biografischen Angaben zum Buch heisst, Spitzer sei ‚einer der bedeutendsten deutschen Gehirnforscher’. Wer wagt da noch, seinen Thesen zu widersprechen? Denn Spitzer zitiert eine Unmenge wissenschaftliche Untersuchungen zur Untermauerung seiner Thesen, wobei er im Furor seines Engagements leider öfters vergisst, die Quellen sauber zu belegen, auf die er sich stützt. So verweist er auf ‚amerikanische Wissenschaftler, welche an einer Studie von über tausend Babys und Eltern erstmals klare negative Auswirkungen des Medienkonsums auf die intellektuelle Entwicklung aufgezeigt habe.’ In den Anmerkungen als (vgl. Zimmermann et. al 2007 b) gekennzeichnet, findet sich dazu kein Titel in der Literaturangabe. Und das ist leider kein Einzelfall.“
Quelle http://heinzmoser.wordpress.com/2012/09/01/digitale-demenz-das-holzschnittartige-mantra-des-herrn-spitzer/(Stand 06.09.2012)
Aber zu den Medienpädagogen hat Spitzer sowieso schon seine vorgeformte Meinung, siehe S. 26 in seiner oben zitierten Einführung: „’Aber Herr Spitzer, jetzt übertreiben Sie wirklich maßlos!’, höre ich Medienpädagogen (die von den Medien ja leben und sich aus genau diesem Grund nicht kritisch äußern), Vertreter der freiwilligen Selbstkontrolle und der Medien selbst schon sagen. Das ist zu erwarten“.
Ich mag übrigens keine reißerisch gewählten Titel wie eben „Digitale Demenz„. Dieser ist respektlos den Betroffenen und den Betreuenden gegenüber. Da halte ich es eher mit der eben entdeckten Telepolis-Nachricht:
„Werden die Menschen von der Informationsflut überwältigt? Was konservative Kulturkritiker gerne anführen, ist für die Menschen vermutlich kein Problem, nach einer US-Studie sind sie meist begeistert durch die vielen Informationsmöglichkeiten“. Quelle Telepolis http://www.heise.de/tp/blogs/6/152725(Stand 06.09.2012).
Das Spitzer-Buch muss – auch in der DGI – diskutiert werden, mit und nicht ohne die Medienpädagogen.
Was meinen hier insbesondere die Vertreter der Informationswissenschaft?
Luzian Weisel, Karlsruhe