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Dr. Sigrid Fahrer

Müssen die Regeln von Suchmaschinenoptimierung (SEO) nach dem Erfolg von Chatbots wie ChatGPT neu geschrieben werden? Bislang zielte SEO auf eines ab: ein möglichst hohes Ranking in den Ergebnislisten von Suchmaschinen zu erreichen. Je höher die Platzierung, desto größer die Chance auf Klicks. Wenn die Künstliche Intelligenz (KI) statt Trefferlisten nur noch Antworten gibt und ganz ohne Links auf weiterführenden Quellen auskommt, was dann? Wie es um Suchmaschinenoptimierung in der aufkommenden Ära der Chatbots bestellt ist, beleuchtet Sigrid Fahrer vom DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in einem Gastbeitrag.

Warum war Suchmaschinenoptimierung lange Google-Optimierung?

Durch Suchmaschinenoptimierung (SEO) werden Webseiten im Internet besser auffindbar. Denn die gezielten Maßnahmen und Anpassungen sorgen dafür, dass Internetauftritte in den Ergebnisseiten der Suchmaschinen (engl. Search Engine Result Pages, kurz SERPs) höher platziert werden. Ein höheres Ranking führt zu einer größeren Sichtbarkeit und zu höheren Klickraten. Laut einer internen Studie des SEO-Anbieters Sistrix fallen 99,1 Prozent auf die Positionen 1 bis 10, was aktuellere Ergebnisse anderer SEO-Anbietern bestätigen.

Auch wenn Suchmaschinenoptimierung als Begriff einen neutralen Anstrich hat, meint er defacto Google-Optimierung. Im August 2022 lag der Marktanteil von Google am Suchmaschinenmarkt bei 92 Prozent; Bing auf dem zweiten Platz konnte einen Anteil von 3,34 Prozent verbuchen. Die restlichen etwas mehr als 5 Prozent teilten sich Yahoo, Yandeý, Baidu und andere (Quelle: Statcounter). Im Juli 2023 zeigt sich das Feld etwas differenzierter: Google ist auf 83,4 Prozent gefallen. Gewinner ist die Bing-Suche, die im Juli 2023 auf über 9 Prozent kommt (Quelle: Statcounter. Trotz den Verlusten bleibt Google die Suchmaschine Nr. 1, für die eine Website optimiert sein sollte.

Die SEO-Werkzeugkiste dafür ist reichlich bestückt: Zum Standardwerkzeug gehören u.a. Keyword-Optimierungen, eine gute URL-Struktur und interne Verlinkungen, Schema-Markup, Backlink-Marketing und – das A&O – hochwertige Inhalte. Die Effektivität der Maßnahmen hängt natürlich vom Google-Algorithmus ab. Ändert sich dieser, können vormals erfolgreiche Seiten schnell im Ranking abrutschen. Ein ständiges Monitoring der Analysedaten und der Updates aus dem Google-Kosmos sind deshalb Voraussetzung. Obwohl letzterem natürliche Grenzen gesetzt sind, da sich Google wenig unter die Haube blicken lässt. So bildet die Grundlage von SEO ein Mix aus Ableitungen aus den Google-Patenten, Hinweise von Google selbst via Social Media, Blog oder Guidelines, Trial-and-Error und Best-Practices anderer. Der ganze Aufwand beruht auf einem Quidproquo: Die Suchmaschine erhält die möglichst beste Webseite, um die Anfragen der Nutzenden zufrieden zu stellen. Die Webseitenanbieter erhalten dafür den Traffic aus der Suchmaschine. Dies scheint sich nun mit der steilen Erfolgskurve von Chat-Bots zu ändern.

Ersetzen Chatbots nun Suchmaschinen?

Seit Ende 2022 ist alles anders: ChatGPT trat an die Öffentlichkeit. Der Chatbot von OpenAI steht seitdem stellvertretend für die rasante Entwicklung im Bereich Künstlicher Intelligenz (KI), die auf Large-Langaue-Models beruht. Die kostenlose Version von ChatGPT ist mit Daten aus dem Internet bis zum Jahr 2021 gefüttert und für unzählige Anwendungsfälle trainiert. Was Chat-GPT kann ist erstaunlich – genauso wie seine zahlreichen Schwächen – vor allem die Tendenz zum äußert selbstbewussten Verbreiten von falschen und auch vorurteilsbeladenen Informationen, freundlich Halluzinieren genannt. Nachprüfen lassen sich Informationen nämlich nicht. Es fehlen Quellenangaben oder werden dreist erfunden. Sprich, der Vertrag „Gebe ich dir Inhalt – gibst du mir einen Link darauf“, der zwischen Suchmaschinen und Webseitenbetreibenden existiert, ist brüchig geworden.

Aber werden Chat-Bots in Zukunft ein Ersatz für Suchmaschinen, wie von Google-Researchern  vorgeschlagen? Wohl nicht bzw. wohl besser nicht. Wissenschaftler*innen, die gegen diese Entwicklung argumentieren, verweisen zum einen auf die technische Limitierung von Chatbots. Zum anderen bezweifeln sie die Prämisse, dass auf jede Frage eine direkte Antwort das beste Ergebnis zu sein hat. Matthias Hagen von der Universität Halle-Wittenberg und Benno Stein von der Bauhaus Universität Weimar sprechen vom Dilemma der direkten Antwort. Auf der einen Seite reduziert die direkte Antwort von Dialogsystemen, die mentale Belastung der Suchenden, da sie z.B. nicht mehr relevante Informationen aus den Ergebnislisten  filtern müssen. Doch geht diese Bequemlichkeit geht auf der anderen Seite zu Lasten von Genauigkeiten, siehe Gefasel von ChatGPT. Chirag Sha und Emily Bender von Washington University plädieren ganz in der Tradition der Informationsverhaltensforschung dafür, Informationssuche in einem größeren Zusammenhang zu betrachten, der die sozialen Aspekte und den Kontext, in dem Suchen stattfinden, berücksichtigt. Ihrem Verständnis nach ist Suche mehr als nur relevante Informationen zu finden. Es ist ein komplexes Set von Informationsaktivitäten, das vom Suchsystem unterstützt werden sollte. Besonders der flexible Umgang mit Suchergebnissen, der es den Nutzenden ermöglicht, sich ein selbst Bild von der Informationslage zu machen, sollte als zentrales Konzept auch in der Suchmaschine der Zukunft erhalten sein.

Wie funktionieren Chatbots der großen Suchmaschinen?

Eine Kombination aus direkter Antwort und möglichem Suchergebnisraum bietet die Einbettung von Chatbots in Suchmaschinen, wie sie von Bing und Google nun angeboten werden. Die neue Bing-Suche hat ChatGPT integriert, Google seine Konversations-KI Bard. Diese Verbindung von Suche und KI ist an sich nichts wirklich  Neues. Googles Knowledge Graph und Knowledge Panels beantworten seit 2012 direkt Sachfragen wie „Wie hoch ist der Eifelturm“ und verweisen dabei auf ihre Quelle, wie auf die Webseite „Paris mal anders“.

Neu ist, dass die dialogisch angereicherten Suchmaschinen nun auf komplexere Fragen direkte Antworten geben können. Wie das funktioniert, fasst der Chat-Modus von Bing selbst gut zusammen „Ich nutze die Bing-Suchmaschine, um die besten Ergebnisse für deine Frage zu finden. Ich kann auch Informationen aus mehreren Quellen kombinieren, um dir eine umfassende und informative Antwort zu geben. Ich verweise immer auf die Quellen, aus denen ich die Fakten nehme.“ Nach diesem Prinzip funktioniert auch die Bezahlversion von ChatGPT. Google-Bard nimmt seine Antworten aus seinen Trainingsdaten, zu denen auch Webseiten gehören, ist aber mit der Angabe von Quellen weitaus sparsamer.

Ein paar Links sind natürlich besser, als keine Links. Webseitenbetreibende müssen aber damit rechnen, dass vermutlich viele User mit der Antwort des ChatBots zufrieden sind und nur wenige weiter zu den Quellenangaben navigieren. Neben einer unsicheren Copyrightlage, die zurzeit von großen amerikanischen Medienverlagen kritisch angesprochen wird, bedeutet diese Entwicklung eines: Einbußen im Traffic. Um zu retten, was noch zu retten ist, gilt es also, mit der eigenen Webseite in die Trefferliste der Chatbots von Suchmaschinen zu kommen.

Wie schaffe ich es, dass meine Website in die Chat-Ergebnisliste aufgenommen wird?

Da die Chat-Dienste ihre Ergebnisse aus den Suchergebnissen der Suchmaschinen gewinnen, ist SEO in der Form, in der wir es kennen, nach wie vor gültig. An allererster Stelle steht aber, auf der Website qualitativ hochwertigen, fakten- und datenbasierten und vertrauenswürdigen Content anzubieten.  Da die größte Schwäche der Chatbots ihr Geschwurbel und die damit einhergehende Skepsis in ihre Fähigkeiten ist, sind sie darauf angewiesen, ihre Antworten aus vertrauenswürdigen Quellen zu ziehen. Gewinner dieser Entwicklung werden vermutlich alle jene sein, die eh schon im Geschäft der seriös produzierten Inhalte sind wie Regierungsseiten, Webseiten von gewichtigen Institutionen, Texte von häufig zitierten Autoritäten, liebevoll betriebene Nischenseiten, seriöse Qualitätsmedien, lokal-verifizierbarer Content und akademische Paper. Wer bislang auf Content-Remixe, Clickbait und Fakenews setzt, könnte zu den Suchverlieren gehören. Das bleibt jedenfalls zu hoffen. Noch ist es zu früh, um hier mehr als nur Vermutungen anzustellen.

Eine Probe aufs Exempel in Bing und ChatGPT hinterlässt einen ersten guten Eindruck: Auf die zugegeben etwas veraltete Frage „Wie schütze ich mich vor Corona?“ werden das RKI, die BZgA und die Bundesregierung mit recht aktuellen Informationen zitiert. In der Bing-Suche gibt es erstmal Schnelltest zu kaufen, dann einen Beitrag vom mdr von 2021 und dann die BZgA; RKI und die Bundesregierung sind auf der ersten Ergebnisseite nicht vertreten. Die Frage „Was sind Open Educational Resources“ produziert Hinweise auf Wikipedia, den Deutschen Bildungsserver und www.open-educational-resources.de. Die beiden letzten Webseiten werden am DIPF betrieben, womit sich gleich Zufriedenheit einstellt.

Die Betreiber der Chat-Suchen selbst haben vielmals bekräftigt, dass qualitätsvolle Inhalte am wichtigsten für ein gutes Ranking sind. Das Thema wird vor allem im Zusammenhang mit der Frage nach KI- generiertem Content gerade heiß diskutiert. Chat GPT und Co. sind in erster Linie dafür gemacht, selbst Texte zu erzeugen. So heißt es bei Google: „Bard ist wie einige andere eigenständige LLM-Tools dazu gedacht, Originalinhalte zu generieren und hat nicht den Zweck, bereits vorhandene Inhalte zu wiederholen.“ Abgesehen davon, dass Originalität hier mehr im Sinne von Horaz‘ imiatio veterum denn Goethes Geniebegriff zu verstehen ist, lässt sich die KI theoretisch gut zur Erstellung von Webseitentexten heranziehen. Allerdings erteilen die großen Suchmaschinen KI-generiertem Content, der nur aus Zusammenfassungen besteht, eine Absage. Google ordnet ihn als SPAM ein, der gegen die Google Search Essentials verstößt. Das gleiche gilt auch für den Bing-Webmaster. Beide Suchmaschinen berücksichtigen Originalität, nützlichen Inhalt und ständig aktualisierte Informationen als wichtige Faktoren für eine hohe Platzierung in den Suchergebnissen. Das schließt jedoch nicht aus, dass ChatGPT und andere KI-Tools als Schreibassistenten für verbesserte Webseitentexte genutzt werden können. Im Gegenteil kann das Co-Writing mit der KI sehr gewinnbringend sein. In meinem kommenden Blogartikel werde ich dieses Thema ausführlicher behandeln.

Fazit

Der Suchmarkt im Internet befindet sich im Umbruch, keine Frage. Nutzenden stehen neben den klassischen Suchmaschinen nun auch Suchassistenten zu Seite, die selbst auf komplexere Frage, direkte Antworten geben können. Dieser bequeme Service geht – zum jetzigen Standard – zu Lasten der Genauigkeit. Informationen in den Antworten können schlichtweg falsch oder vorurteilsbeladen sein. Für Webseitenbetreibende bedeutet diese reduzierte Sichtbarkeit Einbußen im Traffic. Sie wird dadurch verstärkt, dass sich viele Nutzende mit der Antwort des Chatbots zufriedengeben und nicht mehr selbst weiter recherchieren. Wo sich dieses Verhältnis einpendeln wird, ist noch nicht absehbar. Circa ein Drittel der Bing-User greifen auch auf den Chatbot zurück. Die Schwächen der Suchassistenten sind aber ein Gewinn für Webseiten, die seriöse und qualitätsvolle Inhalte anbieten und diese nach den SEO-Richtlinien gut auffindbar machen. Guter Content erhöht die Chancen in die Chat-Ergebnisliste zu gelangen und natürlich bei der klassischen Suche zu punkten.

Momentan ist noch sehr viel Bewegung im Feld. Es kann gut sein, dass in der Zukunft auch wieder Formate Konjunktur haben werden, die keine Suchmaschine als Zwischenhändler benötigen, um User auf die Seite zu bringen, wie Newsletter und Mailinglisten. Und es ist auch nicht gesagt, dass die klassische Suche ganz in Vergessenheit gerät. Vielmehr ist wahrscheinlich, dass beide Websuchen nebeneinander existieren. Denn eines bleibt: Nicht auf jede Frage gibt es eine direkte Antwort.

Zur Autorin

Dr. Sigrid Fahrer ist wissenschaftliche Koordinatorin im Informationszentrum Bildung am DIPF| Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation. In dieser Funktion betreut sie unter anderem die Suchmaschinenoptimierung für die Bildungsportale des DIPF wie den Deutschen Bildungsserver, das Fachportal Pädagogik und den Verbund Forschungsdatenbildung.