Mastodon Skip to main content

Deutschland, deine Digitalisierung und Einsamkeit

Ich habe COVID-19 zu Beginn nicht ernst genommen. Ein Virus in China, dachte ich, was geht mich das an? Als politisch interessierter Mensch, ging es zwar nicht völlig an mir vorbei. Aber eigentlich war ich eher mit der Situation auf den griechischen Inseln beschäftigt. Selbst als in Italien erste Fälle bekannt wurden, war ich zunächst wenig besorgt. Was wohl viel über meine Bildung im medizinischen Bereich aussagt. Erst als auch Deutschland Maßnahmen ergriff, wurde auch mir bewusst, wie gefährlich das Virus ist. Eine dieser Maßnahmen war es, die Hochschulen zu schließen. Wie die Lehre im Sommersemester 2020 stattdessen abgehalten werden könnte, war bis kurz vor dessen Beginn nicht klar. Unter den Studierenden wurde vermutet, das Semester werde wahrscheinlich online sein. Das wurde schließlich per E-Mail bestätigt. Viele meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen, die nicht aus Hessen kamen, hatten Glück. Wären doch noch Präsenzveranstaltungen angekündigt worden, hätten Sie kaum eine Möglichkeit gehabt, dabei zu sein.

Zoom, Jitsi, Skype

Die Lösung für das Sommersemester 2020 – Konferenzprogramme. Wir nutzten vor allem Zoom für Vorlesungen und Seminare. Die Studierenden saßen vor ihren Rechnern, sahen und hörten den Dozierenden zu. Neben Zoom probierten wir Jitsi und Skype aus. Beide funktionierten mäßig (und bei mir gar nicht).

Um an Konferenzen teilzunehmen, bedarf es nicht wirklich viel. Möglichkeiten zu hören und zu sprechen, ein PC, der mindestens dem eingesetzten Konferenzprogramm genügt, und eine ausreichende Bandbreite des Internets. Mit Geld lassen sich die ersten beiden Punkte erfüllen, auf die heimische Internetverbindung hat man allerdings nur begrenzten Einfluss.

Deutschland, Entwicklungsland

Deutschland gilt in Sachen Digitalisierung als Nachzügler. Probleme gibt es viele. Zum Beispiel der Anteil von Glasfaseranschlüssen an allen Breitbandanschlüssen laut Statista. Von Spitzenreitern wie Südkorea (82,8%) oder Schweden (71,2%) ist Deutschland mit 4,1 Prozent weit entfernt. Aber selbst den OECD-Durchschnitt von 28 Prozent unterbietet Deutschland deutlich. Laut Handelsblatt liegt Deutschland nur knapp über dem EU weiten Durchschnitt im Bereich der digitalen Wirtschaft.

Holprige Anfänge

So begann nun also unser digitales Abenteuer. Die Dozierenden gingen unterschiedlich mit der Situation um. Vom schlichten Hochladen von Aufträgen mit wenig Kontakt (und Rückmeldungen) bis hin zu täglichen gemeinsamen Konferenzen war alles dabei. Dass nicht alles reibungslos ablaufen würde, war zu erwarten und auch verständlich. Natürlich hatten wir Studierende Verständnis für die Lehrenden und die Hochschule. Trotzdem war einigen Dozierenden anzumerken, wie wenig sie sich auf das Online-Semester einließen. Bei inhaltlichen oder organisatorischen Problemen war es allerdings möglich, sich an die Hochschule zu wenden.

Von Moodle bis zu Rocketchat

Neben Face-to-Face-Programmen war das Moodle-System der Hochschule wichtiger Gefährte. Immerhin wurden darüber nahezu sämtliche Aufgaben verteilt, Vorträge hochgeladen, Abgaben bearbeitet, Ankündigungen kommuniziert und so weiter.

Moodle ist weder elegant noch übermäßig benutzerfreundlich, wenngleich es in beiden Punkten noch besser abschneidet als das QIS (Hochschul-Informationssystem) der Hochschule. Aber beide erfüllen ihren Zweck. Darüber hinaus stieg natürlich auch die Bedeutung des hochschulinternen E-Mail-Systems. Roundcube, so sein Name, wirkt vergleichsweise modern. Für sich genommen ist es auch kein schlechtes Mail-Programm. Allerdings können einzelne, wichtige E-Mails, sehr schnell verloren gehen. Das liegt vor allem daran, dass alle Mails exakt gleich aussehen. Egal, ob diese vom Dekan persönlich sind oder ein weiterer Studierender um die Teilnahme an einer Umfrage bittet. Das führt schnell dazu, dass wichtige Mails übersehen werden. Darüber hinaus war es für mich schlicht nicht möglich, meine privaten Mail-Anbieter mit dem der Hochschule zu verbinden. Wessen Schuld das ist, meine, die der Hochschule oder des von mir genutzten Anbieters, ist unklar.

Einzelne Lehrende griffen außerdem auf Discord, Rocketchat und Slack zurück, um mit den Studierenden zu kommunizieren. Zumindest in meinem Studiengang, blieb das eine Ausnahme.

(Un-)Willkommene Ablenkung

Jeder Studierende, ob ehemalig oder nicht, kennt die Gefahr bei längeren Seminaren abzuschweifen. Unterhaltungen mit den links oder rechts Sitzenden, Social Media, oder dieses Reiseziel, zu dem man schon immer mal wollte. Das fällt während eines Online-Seminars nicht weg. Vor allem, weil keine Lehrenden überprüfen können, was man hinter dem Bildschirm macht. Gleichzeitig ist mehrstündiger Frontalunterricht vor dem Bildschirm sehr anstrengend, noch mehr als während einer Präsenzveranstaltung. Sich also kurz eine Auszeit nehmen zu können, aber zumindest mit einem Ohr weiterhin zuzuhören, ist durchaus angenehm.

Vermutlich waren viele während des Online-Semesters öfter abgelenkt als sonst. Doch um wie viel mehr, lässt sich nicht sagen. Zumindest ist in diesem Semester, soweit ich es weiß, niemand durchgefallen. Im Gegenteil, der Durchschnitt meines Studienganges war insgesamt gut.

Mehr Zeit, weniger Zeit

Niemand muss während eines Semester ohne Präsenzveranstaltung mit dem Zug, Bus, Auto oder anderen Verkehrsmitteln (zu Fuß gar) zur Hochschule gelangen. Das bedeutet vor und nach den Seminaren mehr Zeit. Mehr Zeit, sich den Stoff anzusehen, sich die eigenen Notizen durchzulesen oder die gerade gesehene Präsentation noch einmal in aller Ruhe anzuschauen. Bedeutet das mehr Freizeit? Für mich schon. Allerdings musste ich nie besonders viel lernen. Wer dieses Glück nicht hat, dessen Freizeit dürfte sich kaum verlängert haben.

Online-Semester bedeutet Einsamkeit

Morgens aus dem Bett quälen, aber doch nicht so wirklich, weil es nur bis zum Schreibtisch geht. Vielleicht etwas frühstücken, sich ein kleines bisschen vorzeigbar machen, um gleich nicht allzu wild auszusehen. Wer weiß, womöglich bittet die Dozentin oder der Dozent darum, die Face-Cam anzuschalten. Mehrere Stunden sitzt nun jeder vor dem Laptop oder PC. Wer mit der Technik Probleme hatte, womöglich gar vor dem Handy. Die Lehrenden reden über ein Thema, während ihre Präsentation auf dem Bildschirm zu sehen ist. Hin und wieder werden Fragen gestellt.

Mit etwas Glück gibt es eine Gruppenaufgabe. Das heißt, ein paar Studierende starten eine eigene Konferenz und bearbeiten etwas gemeinsam. Diese Zusammenarbeit erlaubt es dann auch, sich einmal mit ein paar Menschen zwanglos auszutauschen, zu lachen und etwas zu erzählen.

Ein komplettes Semester online stattfinden zu lassen bedeutet nämlich vor allem, nicht viel unter Menschen zu kommen.

Bisher soll ein Kurs im Wintersemester 2020/21 in Präsenz stattfinden, natürlich unter Einhaltung der Schutzmaßnahmen. Ich freue mich darauf, egal welches Thema.

Daniel Schmeer