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Über Netzpolitik, den Beitrag der Informationsberufe und verschenkte Chancen

Eine Entwicklung, die nicht zu übersehen ist, findet zurzeit in der (deutschen und internationalen) Politik statt. Netzpolitische Themen, Begriffe wie Informations- und Wissensgesellschaft, Urheberrecht – alle spielen eine zunehmende Rolle im politischen und gesellschaftlichen Diskurs.

Spätestens seitdem die Piratenpartei in Deutschland an Aufmerksamkeit gewonnen hat, beschäftigen sich alle Parteien intensiv mit diesen Themen. Manche Parteien haben das auch früher gemacht.

Aber Netzpolitik ist kein neues Feld, sie ist eine weitere Instanz von Informationspolitik. Die Art Politik, die für die Informationsberufe schon immer von Bedeutung war.

Diese Entwicklung öffnet den Informationsberufen, deren Verbände und Vereine, einen politischen und gesellschaftlichen Handlungs- und Einflussspielraum – eine Gelegenheit, die nicht verpasst werden darf. Das  ist eine Gelegenheit, in der Diskussion einen wichtigen Beitrag zu leisten. Eine Gelegenheit, auf Entwicklungen Einfluss zu nehmen, die nicht nur die Zukunft der eigenen Berufe bestimmt, sondern auch die Zukunft der Gesellschaft, in der die Berufe agieren. Eine Gelegenheit, um aufzuhören den Kopf in den Sand zu stecken und anzufangen aktiv zu werden.

Ich erläutere mein Plädoyer an einem aktuellen Beispiel:

Innerhalb von einer Woche veranstalten vier Bundestagsfraktionen Foren und Tagungen zum Thema Netzpolitik: CDU (Diskussionsforum Netzpolitik), Grüne (Netzpolitische Soirée zur europäischen Bürgerrechtsbewegung), Die Linke (Netz für Alle) und die SPD (Netzpolitisches Forum 2012).
Seit Anfang des Jahres fanden bereits ca. 20 Veranstaltungen mit einer breiten thematischen Vielfalt (Netzpolitik, kreatives Schaffen in der digitalen Welt, Urheberrecht, E-Democracy, Bürgerbeteiligung etc.) statt. Und im Vergleich mit (kostenpflichtigen) „professionellen“ Konferenzen, sind diese Veranstaltungen (ironischerweise) inhaltlich deutlich reicher, aktueller, ausgewogener und desillusionierender, während sie auch einen Austausch mit einem breiten Publikum anbieten (und nicht nur im eigenen Saft schmoren).

An allen Veranstaltungen nahmen VertreterInnen der Informatik, Kommunikationswissenschaft, Industrie, Chaos Computer Club und Verlagen teil.
Ich habe allerdings auf keiner Veranstaltung VertreterInnen von Bibliotheken, Bibliotheksverbände oder DGI gesehen.

Solche Foren können uns vieles ermöglichen, wie z.B. direkten Zugang zu MdB aus den verschiedenen Fraktionen und Kontakt zu den Abteilungen der verschiedenen Parteien, die sich mit diesen Themen beschäftigen und die Position der Partei bestimmen; Teilnahme am Austausch mit anderen Akteuren und Sichtbarkeit im öffentlichen Diskurs; und die Möglichkeit, eigene Themen auf die Tagesordnung zu setzen.

Ein Schlusswort (für SkeptikerInnen)

Ja, ich kann jeder SkeptikerIn nur zustimmen. Ein Teil der Aufmerksamkeit auf diese Themen ist auf die näher rückende Bundestagswahl bzw. auf den Erfolg der Piratenpartei zurückzuführen. Ein erheblicher Teil davon ist es aber nicht.

Die Tendenz der zunehmenden Bedeutung dieser Themen in der Gesellschaft, und daher auch in der Politik, kann man nicht mehr bestreiten. Als Beweis dafür beschäftigen sich einige Parteien ernsthaft und seit langer Zeit mit diesen Themen, noch vor dem „arabischen Frühling“ oder bevor die Piratenpartei in den Berliner Landtag einzog.

Und auch wenn die aktuellen Diskussionen bloß „Trend-Diskussionen“ sind und die Aufmerksamkeit, die sie gewonnen haben, irgendwann abnimmt, sind diese nur Teile eines großen Ganzen. Diejenigen, die diese Themen in den richtigen Kontexten und zusammen mit Aspekten wie Informationskompetenz, Zugang zu Information und Wissen etc. setzen können, sind die Informationsberufe.

Diese Diskussionen zu ignorieren, nur weil sie (leider) nicht zum Mainstream unseres beruflichen Diskurses gehören, ist kontraproduktiv und eine verschenkte Chance.

Ich kann Ihnen eines versprechen – zum Thema Bibliotheksgesetz oder Bibliothekspolitik wird keine Partei ein Forum veranstalten, geschweige denn über 20 Veranstaltungen im Jahr.