Das Symposium findet am 14. bis 15. September jeweils von 9:00 bis ca. 17:00 Uhr inklusive eines Gesellschaftsabends am 14. Septemberstatt.
Das ausführliche Programm finden Sie hier ab April 2023
Keynote
Die gute und die böse Information – Information als Konstrukt für Information und Desinformation
Prof. Dr. Rainer Kuhlen
Die Debatte um den Informationsbegriff besteht seit es die Informationswissenschaft gibt, bzw. führte sie die DGD, als sie sich in DGI umtaufte. Die Vielzahl der Definitionsversuche lässt sich nach einem Vorschlag von Hans-Christoph Hobohm auf zwei Stränge reduzieren: zum einen auf ein epistemologisches Verständnis von Information, das sich auf Wahrheit, vorsichtiger auf überprüfbare Richtigkeit gründet. Exemplarisch hierfür steht die Philosophy of Information von Luciano Floridi. Sie kann die gute, auf Wissen führende Information genannt werden, wie sie traditionell von Informationsprofessionellen durch Nutzung von Bibliotheks- und Dokumentations- und Informationsdiensten, kurz: im Kontext von Fachinformation erarbeitet und vermittelt wird. Dem stehen systematisch gegenüber sozial-/kommunikationswissenschaftliche, konstruktivistische, pragmatische Theorien. Information ist kein Objekt, sondern ein Konstrukt: Was Information ist, was also Nutzende in Situationen informationeller Unsicherheit oder Unterbestimmtheit tatsächlich aus der auf sie einstürmenden oder ihnen zur Verfügung gestellten Information verwenden, was also zu Information wird, entscheiden letztlich sie – wobei das sicherlich nicht immer autonome Entscheidungen sind, dafür sind die darauf wirkenden (und oft manipulierenden) externen Einflussfaktoren zu groß. Handlungsrelevante Information ist auf den ersten Blick sicherlich auch die gute Information. Aber hier wird es ambivalent. Tatsächlich wird man kaum fehl mit der Vermutung gehen, dass die Informationsgesellschaft oft genug eher eine Desinformationsgesellschaft ist. Auch Information, die auf Desinformation beruht, ist nicht einfach nur falsche, böse Information, sondern sie ist für viele Menschen ebenfalls pragmatisch relevant, handlungsrelevant. Die Aussage Information ist Wissen in Aktion transformiert sich in Information ist Desinformation in Aktion. Das ist ein systematisches Dilemma. Leider ist es nicht genug und oft auch nicht erfolgreich, die böse Information durch die sie widerlegende gute Information zu entlarven. Den Institutionen wie Wissenschaft, Politik und Medien stehen die auf persönliche Gefolgschaft und Desinformationen folgenden Personen mehr als nur skeptisch gegenüber und verweigern sich der informationellen Aufklärung. Hier ist die Bildung von umfassender informationeller Kompetenz gefordert. Dafür sollten Informationswissenschaft und Organisationen wie die DGI das methodische und praktische Rüstzeug entwickeln und bereitstellen. Dieser komplexe Zusammenhang soll in diesem Vortrag weiter ausgeleuchtet werden.
Prof. Dr. Rainer Kuhlen studierte Philosophie, Literaturwissenschaft und Soziologie. Nach einer Postgraduierten-Ausbildung zum Informationswissenschaftler an der Zentralstelle für maschinelle Dokumentation (ZMD) in Frankfurt lehrte er als Dozent am Lehrinstitut für Dokumentation (LID) in Frankfurt und promovierte an der Universität Regensburg. Es folgte 1980 auf eine Vertretungsprofessur für Computerlinguistik der Ruf auf eine C4-Professur für Informationswissenschaft an der Universität Konstanz. Seit 2011 emeritiert nahm er seitdem verschiedene Gastprofessuren an, z.B. in Bern, Chur, Graz, Hu-Berlin, Potsdam.
Seine Forschungsschwerpunkte sind: experimentelles Information Retrieval/Automatisches Indexing/Abstracting, Hypertext, elektronische Mehrwert-/Suchdienste, Kollaboratives Wissensmanagement im E-Learning; Informationsethik, -politik, -recht, -markt, -wirtschaft; Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft, Geistiges Eigentum, Wissensökologie/Commons-Theorien, Publizieren im Open-Access-Paradigma